Gamechanger: Hotellerie & Gastronomie

Reisen galt einst als Luxus. Für Millionen von Menschen gilt das heute immer noch!

Tourismus ist in einigen Ländern sogar der Hauptwirtschaftssektor, z.B. in Mexiko (vgl. Statista.com). Das Einbrechen des weltweiten Tourismus durch die Coronapandemie war davor völlig unvorstellbar. Aber nun geht´s wieder zügig bergauf.

Weltweit ist der Tourismus für 8% der Treibhausgasemissionen (davon ca. 50% aus Mobilität) verantwortlich, Tendenz: weiter steigend.

So weit der Stand der Dinge. Aber dieser Beitrag soll sich gar nicht um den Tourismus drehen. Vielmehr um Nachhaltigkeit 🙂 Nun könnte man bei oben aufgeführten Fakten leicht auf die Idee kommen, zu fordern, das Reisen einfach „einzustampfen“ – dem Klima zuliebe. Ja, das ist nachvollziehbar. Aber passieren wird es nicht. Zu groß ist der Drang nach kulturellem Austausch, nach Erholung, nach Unterhaltung, nach Sport, nach Familientreffen, nach einem Tapetenwechsel (Businessreisen natürlich nicht zu vergessen).

Doch den Tourismus deutlich nachhaltiger ausrichten, DAS ist sehr wohl möglich und auch dringend nötig (ein Buchtipp dazu: „Tourismus in der Kritik“). Und zwar in allen Teilen der Wertschöpfungskette (Mobilität, Beherbergung, Destination & Unterhaltung). Alles beginnt mit Zugang zu Wissen, Zeit und dem gemeinsamen Austausch. Der Inspiration durch andere Menschen. Genau wie beim Reisen ;-).

Es gibt sogar ein weltweit ratifiziertes Rahmenwerk der Vereinten Nationen dafür: die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, kurz 17 SDGs (auch bekannt als Agenda 2030). Das Ziel Nr. 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ bezieht im Unterziel 8.9. auch explizit den (nachhaltigen) Tourismus mit ein: Das Unterziel lautet: „Bis 2030 Politiken zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus erarbeiten und umsetzen, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte fördert.“ Jedes der 17 Ziele für sich allein ist schon unglaublich spannend und komplex. Vor ein paar Wochen bin ich zufällig auf die „Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit“ der Uni Bremen (in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt) aufmerksam geworden, die hervoragende Kurse kostenfrei online zum Anschauen bereitstellt, u.a. auch zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Die Einstiegsvideos zu jedem Ziel dauern nur ca. 3-5 Minuten und geben einen klasse Einblick, um ein allererstes Verständnis zum Thema Nachhaltigkeit und die weltweiten Zusammenhänge und Missstände zu bekommen. Bitte schaut Euch das unbedingt an.

Und nun sind wir auch schon beim eigentlichen Thema:

Was kann die Hotellerie & Gastronomie als Teil der Wertschöpfungskette dazu beitragen, eine nachhaltige Entwicklung einzuschlagen? Nicht nur für die Branche selbst, sondern auch als Impulsgeber für ihre Gäste? Denn wenn wir reisen, sind wir offen für Neues, wollen uns etwas Gutes tun, dem Geist und der Gesundheit. Und immer mehr auch dem Klima. Wie können wir das alles kombinieren und nach der Reise in unseren Alltag integrieren?

Vor 150 Jahren galt die Zentralheizung in Hotels als DER Fortschritt, ein beheiztes Zimmer mit eigenem! Bad en suite & Telefon kam einem Palast gleich. Und heute? Große Hotelketten versuchen sich gern mit unterschiedlichen Designansprüchen hervorzutun, neue Farbkonzepte, schicke Möbel und natürlich das passende Storytelling dazu. Dem Auge schmeichelt es, das war’s dann aber auch meistens schon. Wo ist der Sinn?

Dabei hat gerade das Gastgewerbe mit Hotellerie und Gastronomie ein enormes Potenzial zukunftsweisend vorauszugehen. Und gemeinsam an einladenden Tischen in bunt & vielfältig gemischter Runde (vieler Nationalitäten sei Dank <3 ) Neues auszuprobieren, zu diskutieren und somit den Gästen und dem Team einen echten Mehrwert zu bieten. Einen sinnvollen.

Was sind nun also die Hauptthemenfelder in Sachen Nachhaltigkeit?

Dazu erstmal eine Infografik für den ersten Überblick:

Ökologie:

Biodiversität (Dach-/Fassadenbegrünung (liefert sogar Verschattung), Platz für Naturwiese, Bienen, insektenfreundliche Außenbeleuchtung)

Mobilität (z.B. Angebot von E-Ladesäulen, E-Fuhrpark, Anreiserabatt für Gäste bei div. Verkehrsmitteln)

Energiemanagement (effizientes Gebäude, Energieberatung, hydraulischer Abgleich, Energiefresser ermitteln, LED Lampen, Zonenbelegung, TV Geräte)

Abfallmanagement (korrekte Mülltrennung, Lebensmittelverschwendung vorbeugen durch kleinere Portionsgrößen & Nachschlag, gute Kalkulation, kleine Speisekarte, Recycling, Kreislaufwirtschaft)

Soziales:

Barrierefreiheit (inklusive Arbeitsplätze anbieten, ebenerdige Zugänge, Angebote auch für gehörlose & sehbehinderte Menschen mitdenken, Gebärdensprache schulen)

Diversity (Menschen in Persönlichkeit anerkennen, Schutz vor Diskriminierung, kulturellen Austausch fördern)

Arbeitsbedingungen (fairer Lohn, Gesundheitsmanagement, Work-Load reduzieren, Work-Life-Balance, gesunde Verköstigung)

Ökonomie:

Einkauf (Bio, fair gehandelt, saisonal & regional, langlebig & reparaturfähig, Lieferkettensorgfalt)

Ausstattung (muss jedes Zimmer über TV, Minibar, Klimaanlage & Co. verfügen? Möbel wieder aufarbeiten, Upcycling, Verzicht auf tägliche Zimmerreinigung, Recycling-Toilettenpapier)

Digitalisierung (digitaler Rechnungsversand, Einsatz von Servicerobotern, hilfreich wären auch „Müllabholroboter incl. Mülltrennung“ auf den Etagen –> bitte erfinden 🙂 )

Ja, das sind unglaublich viele Themenfelder und jeder Betrieb wird nur einen Teil davon umsetzen können. Es muss auch nicht gleich perfekt sein. Der allerwichtigste Schritt ist anzufangen! Und zwar gemeinsam: mit allen Teammitgliedern, mit Lieferanten, mit Gästen, mit Tourismus- und Behördenvertretern vor Ort. Lasst uns alle an einen Tisch setzen (davon gibt´s im Gastgewerbe genug). Lasst uns Ideen sammeln, brainstormen, Teams bilden (je nach Interessenvorliebe) und ausprobieren. Natürlich bedarf es einer guten Planung, gern auch mit Expertenbegleitung (das kostet nicht die Welt und spart langfristig bares Geld, z.B. für Energie & Wasser und erschließt neue Gästegruppen).

Kurz- mittel – und langfristige Ziele in Kombination sind wichtig.

Man muss nicht sofort mit den größten Investitionen (wie z.B. einer energetischen Komplettsanierung) anfangen. Empfehlenswert wäre es natürlich schon. Aber nach Corona sind die Finanzreserven vieler Gastbetriebe natürlich erschöpft. Doch selbst „günstigere Maßnahmen“ wie der Austausch von Duschköpfen in wassersparende Modelle, die die Wasserdurchflussmenge von ca. 15 Liter auf ca. 8 Liter pro Minute erheblich senkt, ist in einem Hotel schon ein nicht zu unterschätzender Einspareffekt für Energie und Wasser. Nur als Beispiel. Weitere siehe oben. Braucht man unbedingt eine Sauna und wenn ja, würde es nicht ausreichen, sie nur zu festen Zeiten bei gewisser Nachfrage anzuschalten? Muss die Klimaanlage bei der kleinsten Hitze sofort kühlen? Braucht man als Gast einen Minikühlschrank im Zimmer? Eine Kapsel-Kaffeemaschine oder das allerneuste TV-Gerät? Jeder Gast hat hier individuelle Wünsche, aber die wenigsten nutzen alle Annehmlichkeiten. Daher nicht jede Zimmerkategorie komplett ausstatten (auch die Kriterien der EU Hotelklassifizierung sollte hier mal überarbeitet werden).

Um nochmal kurz auf das Thema Energie als eine der größten Stellschraube (Treibhausgasemissionen senken) zukommen: ein tolles Hotelbeispiel habe ich Euch hier verlinkt – zusehen ist das Energie-Dashboard des Hotel „Haffhus“, welches komplett energieautark vom Stromnetz ist und seinen eigenen Energiebedarf durch Solar und zwei Blockkraftheizwerke deckt. Dazu kommen Stromspeicher sowie Kälte- und Wärmespeicher. Es gibt sogar für Gäste und andere interessierte Hoteliers extra Hausführungen dazu. Klasse Aktion. Vielen Dank, dass Ihr eure Erfahrung teilt und andere Menschen mitnehmt auf die Reise.

Natürlich kann auch die Gastronomie zum Vorbild werden. Zur Probierwerkstatt. Wann hat man zu Hause im stressigen Alltag schon Zeit, sich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen? Geschweige denn, in Ruhe dafür einzukaufen und dabei noch neue Lebensmittel zu entdecken und zu probieren. Wie wäre daher mit einer ganz besonderen Veranstaltung im Restaurant? Lokale (Bio-)Erzeuger stellen aus, bringen saisonale Ware zur Verkostung mit, die Gäste probieren, äußern Wünsche und das Küchenteam liefert Ideen für die Zubereitung und setzt diese (in einer Show-Küche, falls vorhanden) um. So etwas meine ich, wenn ich davon spreche, alle gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Zusammen Alternativen auszuprobieren, für eine umweltverträglichere (vor allem weniger Fleisch) & gesündere Ernährung (mehr Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorn). Jeder so wie er mag, aber mit dem nötigen Wissen, was möglich ist, damit es für alle Menschen auf dieser Welt reicht.

Das Kerngeschäft der Hotellerie und Gastronomie ist natürlich die Beherbergung und Verpflegung. Aber das Herzstück, das Warum es Mitarbeiter überhaupt in diese wunderbare Branche zieht, sind die Menschen. Die Weltoffenheit. Die Gastfreundschaft. Vor 150 Jahren hat das Team den Gästen „gedient“ – mit dem bekanntem Arm auf dem Rücken wurde serviert. Heute begegnet man sich (zumindest in vielen Ländern) auf Augenhöhe. Man ist stolz, viele Nationen im Team zu haben. Und jeder bringt einen Teil seiner Kultur mit. Seiner Sprache. Seiner Werte. Seiner Essgewohnheiten. Dieser Mix könnte so bereichernd sein, aber meiner Meinung nach tauschen wir uns noch viel zu wenig darüber aus. Eine nachhaltige Entwicklung bezieht sich nicht nur auf ökologische Themen, nicht nur auf nachhaltiges Wirtschaften. Auch die soziale Dimension ist genau so wichtig. Jeder Mensch hat ein Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft. Dafür müssen Barrieren abgebaut werden, das geht deutlich über das Angebot von ebenerdigen Zimmern hinaus. Beispielsweise sind Gebärdensprache, Webseiten und Speisekarten für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen hilfreich. Aber auch interkulturelle Kompetenzen möchten geschult werden. Die besten Talente dafür sind bestimmt schon im Mitarbeiterteam zu finden.

Und wenn Arbeit und Urlaub wieder mehr Sinn ergeben, man täglich Neues lernt, sich darauf einlässt, Routinen ändert und das Beste daraus für sein Leben Zu Hause & im Alltag mitnimmt – dann sind wir auf einem guten Weg der nachhaltigen Entwicklung <3

Bezug zu den Zielen:

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