Fachkräftemangel – nachhaltige Chance?

Fachkräftemangel, Arbeitskräftemangel. Die Hotellerie hat von beidem genug und das nicht erst seit gestern und auch nicht erst seit der Corona-Krise. Seit über 10 Jahren sinkenden Azubizahlen, einem hohen Fluktuationskoeffizient und immer größeren Schwierigkeiten offene Stellen nachzubesetzen. Das geht natürlich nicht nur unserer Branche so. Der demografische Wandel lässt grüßen. Fachkräftegewinnung aus dem Ausland scheint DIE Lösung zu sein. Aber nicht nur…

Es gibt noch viel mehr Lösungsansätze – schließlich wird die beste & effektivste Arbeit von Mitarbeiter:innen verrichtet, die sich wohlfühlen, die gern arbeiten, die einen Sinn in ihrem Job sehen, die ihr Privatleben & Berufsleben ausgewogen unter einen Hut bringen und von ihrer Arbeit leben können. Die Lust auf Weiterbildungen haben, um mit ihrem Fachwissen Innovationen voranzutreiben. Gemeinsam im Team. Die Motivation & die Ideen sind da – nur oft fehlt die Möglichkeit, genau diese im Unternehmen einzubringen. Der Zeitmangel lässt grüßen.

Wie es um die Arbeitgeberattraktivität im Gastgewerbe bestellt ist, zeigt die Busche-Studie auf, in der jedes Jahr bis zu 2 Mio. Beschäftigte im Gastgewerbe ihre Meinung einbringen können. Ein Teil der Ergebnisse sind online frei einsehbar und werden auch im Fachbuch „Nachhaltigkeit als zukunftsweisendes Geschäftsmodell im Gastgewerbe“ (S. 96 – 106) präsentiert. Anhand dieser Ergebnisse sowie durch langjährige Erfahrung und Austausch mit Branchenkollegen habe ich folgende Übersicht erstellt:

Die Wünsche des Teams lassen sich natürlich auch auf viele andere Branchen übertragen, allen voran die Wertschätzung. Im stressigen Alltag einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt (auch VUCA-Welt genannt) fehlt so oft die Zeit und der Kopf der Führungskräfte / Unternehmensführung für diese simple & gleichzeitig sehr effektive Form der Anerkennung. Das kann man niemanden wirklich vorwerfen, jedoch sollte sich jedes Unternehmen darüber bewusst sein.

Die Arbeitswelt verändert sich rasant – mit oder gerade dadurch auch die Wertevorstellung der Mitarbeiter:innen. Eine spannende Untersuchung hat die „Initiative Gesundheit und Arbeit (iga)“ dazu erstellt: „New Work & Werte„, in der elf zentrale Werte wie z.B. Nachhaltigkeit, Sinn der Arbeit, Selbstentwicklung etc. aufgeführt sind. Die „iga“ ist übrigens ein Zusammenschluss der Unfall-, Kranken-, und Rentenversicherung mit dem Ziel, die Gesundheit im Arbeitsleben zu fördern. Und hier sind wir auch schon mittendrin im Ziel Nr. 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ der 17 Ziele/SDGs. Schaut Euch einfach mal das Einführungsvideo dazu an. Neben der körperlichen Gesundheit geht es hier auch um die psychische Gesundheit, wo Deutschland noch viel Präventionsarbeit leisten muss. Unter den zehn wichtigsten Krankheitsarten der AUs in 2022 finden sich hierzulande die psychischen Erkrankungen auf Platz 3 (vgl. Statista.com).

Doch kommen wir nochmal speziell zurück zur Hotellerie:

Der große Dreh- und Angelpunkt ist Zeit & Geld. Ob es das faire Gehalt ist (auch, wenn es tarifbedingt gerade erst zu angemessenen Lohnsteigerungen gekommen ist, die aber auch längst überfällig waren), so liegt das Gastgewerbe immer noch im Niedriglohnbereich. Ein deutlicher Angebotsüberschuss an Übernachtungskapazitäten sorgt leider für wenig Spielraum. Immerhin machen die Personalkosten an den Betriebskosten auch den mit Abstand größten Anteil aus. Das hilft den Beschäftigten allerdings wenig.

Aber wie wäre es denn mit folgender Lösungsidee aus dem Nachhaltigkeitsbereich: mittlerweile bieten immer mehr Hotels ihren Gästen die Möglichkeit an, auf die tägliche Zimmerreinigung zu verzichten – als Dankeschön winken teilweise Restaurantgutscheine, Preisnachlässe, Bonuspunkte, kleine Geschenke wie Blumensamen oder regionale Produkte. Manchmal auch die Unterstützung eines sozialen Projektes. Letzteres: sehr gut. Man könnte die Höhe der Ersparnis (Wasser, Reinigungsmittel, Personalkosten, Energie etc.) aber auch einfach dem Hotelteam zugutekommen lassen – als Einzahlung in die Teamkasse, welches z.B. monatlich aufgeteilt wird. Alles eine Frage der korrekten Versteuerung, aber machbar. In gewisser Weise ein extra Trinkgeld. Und der Vorwurf, dass sich Hotels an der „Zimmerreinigung auf Wunsch“ ja nur selbst bereichern, da sie Kosten sparen, ist auch gleich entkräftet.

Zum Thema Talentförderung, Weiterbildung & Persönlichkeitsentwicklung: auch diese brauchen ein gewisses Budget, Weiterbildungen können teilweise sehr kostspielig sein. Doch es gibt auch eine ganze Reihe an Fördermöglichkeiten, die häufig kaum bekannt sind. Eine Übersicht liefert das Bundesministerium für Bildung und Forschung bzw. die Förderdatenbank des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Noch dazu hat jedes Bundesland einzelne Förderprogramme – hier lohnt es sich unbedingt reinzuschauen und diese Förderungen auch zu nutzen, wenn der Wunsch nach Weiterbildung da ist. (Bestimmt werde ich in Zukunft nochmal einen separaten Beitrag dazu verfassen, welche Förderprogramme für die Hotellerie besonders interessant sind. Dafür brauche ich aber noch etwas Zeit.)

In der oben aufgeführten Darstellung lässt sich aber auch erkennen, dass sich manche „Differenzen“ kaum beheben lassen. Homeoffice im Gastgewerbe ist größtenteils schwierig, da die physische Anwesenheit der Gastgeber nunmal den größten Teil der Dienstleistung ausmacht. Da die meisten Mitarbeiter:innen aber auch aufgrund genau diesem intensiven zwischenmenschlichen Kontakt im Gastgewerbe arbeiten, ist dieser Faktor Homeoffice gar nicht so entscheidend.

Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach genau diese persönlichen Begegnungen zu stärken, damit sie als bereichernd empfunden werden – so wohl für Gäste, als auch für das Team. Die Hotellerie (& Gastronomie) ist so wunderbar vielfältig, weltoffen, tolerant & bunt. Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen arbeiten zusammen, möchten von Herzen Gastgeber sein. Warum sollen sie nicht auch gemeinsam (voneinander) lernen? Gemeinsam neue Ideen entwickeln, wie sie die Hotellerie (& somit auch die Gesellschaft) nachhaltiger ausrichten können.

Hierzu ein paar Beispiele:

  • Ausprobieren vegetarischer/veganer Rezepte sowie Fleisch- & Fischersatzprodukte
  • Erlernen von Gebärdensprache (Abbau von Sprachbarrieren)
  • Lebensmittelverschwendung vorbeugen (z.B. Nose-to-Tail oder Leaf-to-Root Ansätze)
  • bedachte Mülltrennung & Reduktion
  • Möglichkeiten der Energie- & Wassereinsparung entdecken (z.B. LED, Perlatoren, Grauwassernutzung)
  • E-Mobilität testen (Autos, Fahrräder etc.)
  • Biodiversitätsförderung (z.B. Naschgarten, Streuobstwiese)
  • Entschleunigung fördern
  • interkulturelle Kompetenz stärken
  • Sommernachtskino mit ausgezeichneten Dokumentarfilmen

Und das sind nur einige Ideen zum Thema Nachhaltigkeit. Als Schlüsselfaktor gilt das Ziel Nr. 4 „hochwertige Bildung“. Das Interesse der Menschen ist da (sehr stark sogar bei den Azubis) – wir müssen nur ins Handeln kommen. Gemeinsam geht das am besten. Wissen ist dafür die Basis (genau deshalb gibt es „17 for hospitality“) – Neugierde lässt uns anfangen, Augenhöhe & Wertschätzung ist selbstverständlich und Kreativität kommt dann von ganz alleine 🙂 .

Weiterführende Links:

https://www.dha-akademie.de/blog/kein-ende-des-fachkraeftemangels

https://www.presseportal.de/pm/161506/5388159

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fachkraeftemangel-gastronomie-hotellerie-kommentar-1.5614656

https://www.ahgz.de/hotellerie/news/fachkraeftemangel-gastgewerbe-sucht-weiter-dringend-personal-307893

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